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Recruiting im Social Web – So begeistern Sie Netzwerker für Ihr Mitmach-Unternehmen

Sonja Salmen,Social Media Recruiting, Recruiting
Prof. Dr. Sonja Salmen

Die erste Generation der sogenannten Digital Natives (Geburtsjahrgänge 1980-2000) drängt auf den Arbeitsmarkt. Sie ist mit dem Internet aufgewachsen und beherrscht den Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln. Über soziale Netzwerke tauscht sich die Next Generation weltweit aus, organisiert sich via Facebook & Co. und informiert sich über potenzielle Arbeitgeber mittels digitaler Kanäle. Diejenigen Unternehmen, die sich sicher in den sozialen Netzwerken bewegen und intensiv Inhalte kommunizieren, sind bei der Besetzung offener Stellen im Vorteil.

Prof. Dr. Sonja Salmen wurde zu diesem Thema interviewt. Sie ist Herausgeberin des Buches „Recruiting im Social Web“ und beleuchtet facettenreich die Möglichkeiten des Recruitings junger Fach- und Führungskräfte der Millenniums-Generation im Web 2.0 sowie im Social Web.

„Der Startschuss zum War of Talent ist schon längst gefallen“, so schreiben Sie in ihrem Buch, was meinen Sie damit und wie ist das zu verstehen?

Prof. Dr. Sonja Salmen: Junge Talente werden aufgrund des demographischen Wandels rar und immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte werden auf dem Markt zur Verfügung stehen und das nicht nur in  Europa sondern auch International. In Deutschland werden in den nächsten fünf Jahren bereits 395.000 junge Ingenieure in deutschen Unternehmen fehlen und 2030 werden es sogar 600.000 sein. International gesehen werden junge hochqualifizierte Talente schon in den nächsten 12 Monaten immer rar werden, eine Studie von Deloitte geht von einem Rückgang in den APAC-Ländern um 61%, in Amerika um 45% und in den EMEA-Regionen bereits um 32% aus.

Angesichts dieser Prognosen gehört es zur Unternehmenspflicht sich nicht nur bei seinen Kunden, sondern auch bei seinen Wunschkandidaten zu bewerben und nicht mehr, wie bislang üblich, umgekehrt. Eine solche „Unternehmensbewerbung“ unterliegt strengen Auflagen seitens der Umworbenen. Um „Employer of Choice“ bei den begehrten Wunschkandidaten zu werden, spielt das gelebte Image eine entscheidende Rolle im ,,War of Talent. Ohne Image keine Top Talente!!! Dieses Problem bekommen derzeit und zukünftig noch massiver insbesondere Mittelständler zu spüren, sind es doch die attraktiven Marken der Großkonzerne wie Daimler, BMW, Audi, Porsche, Siemens, die eine magische Anziehungskraft auf junge hochqualifizierte Talente ausüben. Die einst so begehrte Finanzbranche hat es derzeit besonders schwer hoch qualifizierte Nachwuchskräfte für ihre Geschäftspraktiken, die aus Sicht der jungen Talente intransparent und daher häufig als unfair eingestuft werden, zu begeistern. In einem von mir geleiteten Think Tank zum Thema „Zukunft der Bank im Jahre 2020“ wünschten sich die teilnehmenden Ypsiloner ihre Geldgeschäfte nur noch mit Freunden tätigen zu wollen, quasi eine Bank-Community like Facebook selbst zu managen.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Social Media Recruiting?

Prof. Dr. Sonja Salmen: Unter dem Begriff „Social Media Recruiting“ oder auch „Social Recruiting“ wird die Personalgewinnung auf HR-relevanten Social Media-Plattformen wie Facebook, XING, LinkedIn, YouTube, Communities, Arbeitgeberbewertungsportalen, Foren und dem Microblogging-Dienst Twitter verstanden. Eine zentrale Erfolgsgröße ist, dass Mitarbeiter direkt einbezogen werden, indem sie persönliche Erfahrungen und Eindrücke aus ihrem Berufsalltag potenziellen Bewerbern schildern. Kandidaten sind erstmals ermächtigt ihr Anliegen, sei es Lob, Tadel oder der Wunsch nach Anerkennung und Unterstützung, öffentlich zu äußern. Der öffentliche Dialog auf Augenhöhe zwischen Mitarbeitern und Kandidaten ist bereits Alltagsrealität.

Kurz um kann man Social Media Recruiting als eine weitere Spielart des E-Recruitings auffassen und bei richtiger Integration in eine Employer Branding-Strategie zum Aufbau sowie Erhalt der Arbeitgeberattraktivität, insbesondere in der Generation Y beitragen. By the way wird ein enormes Potenzial zur Optimierung von externem und internem Personalmarketing freigesetzt.

Was charakterisiert die Generation Y und wie unterscheidet sie sich von den älteren Generationen?

Prof. Dr. Sonja Salmen: Qualifiziert, selbstbewusst, extrem anspruchsvoll, ständig in der Feedback-Schleife – diese jungen Fach- und Führungskräfte werden Kultur und Alltag in den Unternehmen komplett neu aufrollen und ihren Vorstellungen gemäß generationsübergreifend neu gestalten. Es werden insbesondere die „High Potentials“ dieser Generation sein, die als eine Art „Katalysator“ in den Unternehmen wirken werden, indem sie den Einzug der Mitmach-Medien des sogenannten Social Web herbeiführen und etablieren. Diese hochmotivierten Netzwerker verfügen über erstklassige Hochschulabschlüsse, gute Qualifikationen, erste Praxiserfahrungen und bringen ein hohes Maß an Entwicklungspotenzial mit zu ihrem „Employer of Choice“. Ihnen werden in der Regel daher schon sehr früh Verantwortungen übertragen um sie bestmöglich auf ihre zukünftige Führungsrolle vorzubereiten.

Talentmanagement 2.0
Wünsche und Bedürfnisse der Generation Y

Durch den Eintritt der Generation „why“ in das Berufsleben wird aus der Sicht der Generation X die längst fällige Chance, weg von einem auf „Hamster Mentalität“ sowie „Salami –Technik“ beruhendem Informationsmanagement, hin zu einem auf Offenheit und Kooperation basierendem Informationsausstauch realisierbar.  Musste die Generation X (Geburtsjahrgänge 1965-1979) viele Ideale eines kollaborierenden Arbeitsstils in der Umklammerung der allgegenwärtigen Baby Boomer Generation (Geburtsjahrgänge 1947 – 1964) auf Eis legen, um überhaupt auf einen Karriereweg hoffen zu können, so wird jetzt mit dem Ausscheiden dieser der Weg frei für einen fundamentalen Change auf Augenhöhe.

Welchen Anforderungen muss sich das Unternehmen stellen um attraktiv für diese exzellent ausgebildeten Arbeitskräfte interessant zu wirken?

Prof. Dr. Sonja Salmen: Wie gesagt, das Unternehmensimage muss den Werten Fit der Generation Y bestehen und das nicht nur digital im Social Web sondern auch real im Berufsalltag.

Diese Generation schätzt besonders den Wandel der Arbeitswelt und will durch neue, offene Wege Karriere machen. Die legendäre gläserne Wand wird insbesondere von hochqualifizierten jungen Frauen nicht mehr stilschweigend wenn auch mit geballter Faust, wie einst von Frauen vorheriger Generationen, akzeptiert. Diese Generation verlangt eine wirklich gelebte Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsalltag, um nicht irgendeinen Job sondern ihren Traumjob mit Leidenschaft und Charisma ausüben zu können. Der Spruch: „Wer arbeitet denn noch für Geld, das ist doch eine Selbstverständlichkeit!“ wird zum Standard im Rahmen von Einstellungsgesprächen avancieren.

Durch die internationale Verknappung an qualitativ hochwertiger Work Force wird sich das Phänomen „Trümmer-Frau“ einst in der Nachkriegsgeneration erstmalig beobachtbar etablieren und weibliche Führungskräfte werden auch im Mittelstand „Salon“-fähig. Der so häufig verwendete Spruch: „Wir würden ja sehr gerne auch weibliche Führungskräfte fördern, doch es mangelt an der Bereitschaft dazu“, wird sich ein Unternehmen nicht mehr leisten können. Im Gegenteil, man wird mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Teilzeit-Führungsstellenangeboten, flexiblen Arbeitszeiten, die einen optimalen individuellen Work-Life Balance ermöglichen, Geschäftsreisen, die nach Absprache zu einem Familienurlaub verlängert werden, Wohlfühloasen als Büroräume etc. massiv um junge Talente buhlen.

Mit welchen Recruiting-Trends ist bis 2020 zu rechnen und wie gestalten sich diese?

Prof. Dr. Sonja Salmen: Für das Jahr 2012 werden tendenziell mehr Investitionen im Bereich E-Recruiting sowie Personalmarketing eingeplant, da HR-Profis derzeit die operativen Ziele des Talentmanagement 2.0 bedienen müssen, was aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Unternehmen nachvollziehbar ist. Aus Sicht der Recruiter rangieren derzeit auf Platz 1 Jobbörsen, gefolgt von Hochschul- sowie HR-Messen und Online-Bewerbungen vor den klassischen Stellenanzeigen in Printmedien.

In naher Zukunft, also in den nächsten 12 Monaten wird der Weg von einem operativ-administrativen Recruiting hin zu einem strategisch geprägten Recruitainment  führen, um Talente der Generation Y und Z (Geburtsjahrgänge nach 2000) für ein aktives Mitgestalten begeistern zu können.

In den nächsten zwei Jahren ist eine Etablierung sozialer Medien im Recruiting-Mix zu erwarten. Ein wichtiger Triumpf im Kampf um die jungen Talente wird, neben kostspieligen Abwerbungsstrategien, vor allem das rasche Zugehen auf qualifizierte Kandidaten sein, und zwar vornehmlich in Business- sowie sozialen Netzwerken. Lassen Sie uns mal einen Blick über den Atlantik werfen, in den USA ist Social Media Recruiting bereits ein Megatrend, da es der effektivste und effizienteste Weg ist, sich schnell einen umfassenden Überblick über einen großen Bewerberpool mit einem hohen Anteil an qualifizierten jungen Talenten zu verschaffen.  So konnten bereits 45% der US-Recruiter sowohl quantitativ als auch qualitativ einen Anstieg der Bewerber feststellen.  Bereits 73 Prozent  der US-amerikanischen Unternehmen rekrutieren erfolgreich qualifizierte Bewerber über internationale Business-Netzwerke wie LinkedIn gefolgt von Facebook und Twitter.

Ganz wichtig ist, dass nicht ausschließlich Agenturen die Verantwortung für Social Media Management übertragen wird, sondern unternehmensintern Kompetenzen und Abteilungen für das digitale Management von Kundenbeziehungen sowie Mitarbeiterbeziehungen geschaffen werden. Denn nur wer selbst mitmacht, sammelt Erfahrungen und kann sich zukünftig proaktiv auf „Talente Fang“ im Social Web begeben! Das spart langfristig Zeit und damit Kosten und bringt kreative Mitmach-Talente ins Unternehmen. Nur so können Mittelständler den fundamentalen Wandel hin zum Mitmach-Unternehmen meistern und international wettbewerbsfähig bleiben.

Weitere wichtige Zukunftstrends sind Stellenanzeigen erlebbar zu machen via Augmented Reality, Mobile Recruiting via Apps sowie Recruitainment via Social Gaming hierzu demnächst mehr an dieser Stelle.

 

Über Neslihan Cakir

Studentin des Studiengangs Electronic Business der Hochschule Heilbronn. Kontakt: Google+, XING

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  • Sehr interessantes und aufschlussreiches Interview. Scheint so, als gäbe es noch viel unentdecktes Potential.

    Zu einem ähnlichen Schluss bin ich auch in einem Artikel gekommen, der allgemein den Umgang von Unternehmen mit Social Media beleuchtet: http://blogs.wallstreetjournal.de/die_seite_drei/2012/10/31/social-media/?mod=WSJBlog?mod=_2

    Freue mich immer über Feedback!

  • Neslihan Cakir

    Vielen Dank für Ihr Kommentar Herr Berger. Richtig erkannt, genau diese Themen rücken immer stärker in den Fokus von Personalern.
    Wie Führungskräfte den Anforderungen der jungen Generation gerecht werden und sich als “Employer of Choice” etablieren beschreibt Prof. Dr. Sonja Salmen sehr detailliert in Ihrem Buch.

  • Jan

    Ein Punkt, den ich immer wieder spannend finde: Der Wechsel zwischen Selbstdarstellung von Firmen im (Social-)Web und der Realität. In vielen Unternehmen hat sich inzwischen das Wissen durchgesetzt, dass man mit einer vernünftigen “Karriere”-Seite auf der Homepage und im Optimalfall durch eine Präsenz auf Social-Media-Plattformen interessante Bewerber anlockt. Diese erwarten dann jedoch im Berufsalltag einen ebenso aufgeschlossenen Umgang mit dem Internet. Hier herrscht bei vielen Firmen jedoch noch eine andere Vorstellung: Der Internet-Zugang wird beschränkt, private Nutzung während der Arbeitszeit wird nicht geduldet sondern untersagt. Hier kann es schnell ein böses Erwachen geben, wenn die Erwartungen des neuen Mitarbeiters und des Unternehmens auseinanderdriften. Dabei sollte jedem Chef klar sein: Wenn ich einen Bewerber über neue Medien anlocke, dann nutzt er sie auch intensiv. Und will sich dabei vielleicht nicht nur auf den Feierabend beschränken.